Artikel aus FMT-Elektro Ausgabe 1999
Konstruktion eines Elektronurflügels nach dem M-V-Konzept, von Raimund Sonst. Nurflügel beschäftigen mich schon ein paar Jahre. Mich begeistert vor allem das interessante Flugbild und die angenehmen Flugeigenschaften erprobter Konstruktionen wie z.B. beim Co5. Vor ca. drei Jahren baute ich einen Elektrosegler "Stromer" nach dem Stromburgprinzip mit 5m Spannweite. Inzwischen oft geflogen, reizte mich gerade dieser Modellentwurf zur Weiterentwicklung und zum experimentieren. Eine der wenigen Dokumentationen von dem "Vater" des Konzeptes Herrn Prof. Schönherr findet man im Buch "Nurflügel", von H.J. Unverfert. In dem Artikel kann man sich Geschmack auf einen solchen Nurflügel holen.
Folgende Zielsetzungen ergaben sich für mich:Es entstand der kleine Nurflügelsegler "Tamagotschy".
Vom Nurflügelexperten Hans Meyer bekam ich die entsprechenden Profile. Der Erstflug in der Thermik war begeisternd. Während der Testphase fiel allerdings eine Unart des Modells auf. Es flog nur mit vielen Tricks eine Kurve. Auch ein inzwischen zweites Modell zeigte diese unangenehme Eigenschaft. Man gibt Querruder und das Modell fliegt weiter geradeaus. Mit einigen Experten wurde über diese Unart gerätselt. Es konnte nur negatives Gieren, gekoppelt mit dem negativen Wendemoment, beim Querruderausschlag sein. Auch die V-Form wurde diskutiert.
Ein neuer Flieger mit Junkers-Spaltklappen, anstelle von Querrudern, wurde gebaut. Ausserdem änderte ich die Randbögen. In der jetzigen Ausführung fliegt "Tamagotschy" sehr gut. Das negative Gieren, sowie das negative Wendemoment wurde durch die Spaltklappen vollständig beseitigt. Lediglich ein kleines Schieberollmoment lässt sich feststellen, welches das Modell in den Wind kurvt. Das Modell ist in allen Fluglagen sehr gutmütig. Ein Strömungsabriss war bisher nicht zu provozieren. Im extremen Langsamflug nimmt das Modell die "Nase" runter und holt wieder Fahrt auf.
Zum Bau des "Tamagotschy"
Der Flügel ist dreiteilig aufgebaut aus Styropor geschnitten und mit 0,8er
Abachi-Furnier beplankt. Die Schränkungswinkel und Abmessungen sind der
Zeichnung zu entnehmen. Das äussere, schmalere Flügelohr schliesst
bündig mit der Oberseite des Innenprofiles ab. Dadurch ergibt sich ein
Schränkungssprung von ca. 6mm. Bei Bedarf kann diagonales Glasgewebe
bis 40g/qm zwischen Furnier und Styropor gepresst werden. Ist aber nicht zwingend
vorgeschrieben. Die Spaltklappen sind aus 3mm Balsabrettchen nach der
Schnittzeichnung anzufertigen und mit 40g/qm Glas zu beschichten. Anschliessend
habe ich den Flügel grundiert und mit farblosen Parkettlack gestrichen.
Das gibt eine sehr harte Oberfläche.
Für den Rumpf habe ich ein Urmodell angefertigt und abgeformt. Dieser kann
aber auch aus Holz gebaut werden. Insgesamt sollte der Flieger mit Elektroantrieb
nicht über 900 Gramm wiegen.
Nochmals zu den Spaltklappen: Die Aufhängung der Spaltklappe erfolgt durch zwei eingelassene 1,5 er Stahldrähte 50 mm lang, jeweils auf der linken- und rechten Seite. Als Gegenlager dient auf jeder Seite eine 150 mm tiefe Profilsperrholzrippe, in die auf der einen Seite ein 1,5 er Loch gebohrt und auf der anderen Seite ein 1,5 er Schlitz gefräst wird. Die Stahldrahtenden werden in Trennwachs getaucht, anschliessend hängt man die Spaltklappe in die Sperrholzrippen ein. Der Schlitz wird nun mit 5-Minuten-Epoxi verschlossen (darum der Trennwachs).
Den Schwerpunkt des Modells ermittelt man mit der zeichnerischen Methode. Hier ist der Schnittpunkt bei 40% der Halbspannweite incl. Randbögen, in 25% der Flächentiefe als Schwerpunkt zu wählen. Dieser passt dann schon zu 99%. Die Lage des Schwerpunktes mit 40% lässt auf eine nahezu elliptische Auftriebsverteilung schliessen (42%).
Flugbericht:
Inzwischen ausgiebig erprobt, wird das Modell zum Start kräftig geworfen.
Anschliessend schaltet man den Elektroantrieb ein. Diese Startmethode schont
die Finger vor Verletzungen durch den Druckpropeller. Ist die Ausgangshöhe
erreicht, stelle ich zum Langsamflug die Höhenruder ca. 2 mm nach unten.
Zwei gute Steigflüge mit insgesamt 10 Minuten Flugzeit ohne Thermikeinfluss
sind möglich. "Tamagotschy" kann sich natürlich nicht mit einem
F3b-Modell messen. Aber das aussergewöhnliche Flugbild entschädigt
dafür. Zu starken Gegenwind mag das Modell nicht, es bleibt dann einfach
auf der Stelle stehen. Oft habe ich den kleinen Nurflügel an den wenigen
schönen Sommerabenden, bei Windstille, bis zum Sonnenuntergang geflogen
und mich an dem sehr schönen Flugbild erfreut. Einige Modellflugfreunde
mussten schon als Testpiloten herhalten, um die absolute Gutmütigkeit
des Modells zu beweisen. Alle Testpiloten waren mit "Tamagotschy" sehr zufrieden.
An dieser Stelle möchte ich mich bei Hans Meyer für die wunderbaren,
gutmütigen Profile, bei Alfons Gabsch für die vielen Tips, sowie
bei Thomas Kehrer für die in der FMT veröffentlichten Zeichnungen
bedanken. Leistungsfähigkeit:
Bei subjektiver Betrachtung liegt die Leistungsfähigkeit etwas unter der des Wingletpfeiles, in Richtung Hortenkozept. Der induzierte Widerstand am Randbogen, sowie die 6 Grad Wurzelschränkung und die Junkers-Spaltklappen kosten Leistung durch Widerstand. Ebenso tragen Flügelknicke zum Leistungsverlust am Nurflügel bei. Die Verwendung auftriebsstärkerer Profile bietet sich noch an, aber auch hier bezahlt man mit höherem Widerstand.
Fazit:Ein eigenwilliges Nurflügelkonzept mit absolut gutmütigen Flugeigenschaften. Zum Experimentieren bietet es noch etwas Raum. Leistungseinbussen auf grund der starken Schränkung an der Wurzel, sowie den Junkers-Spaltklappen sind zu erwarten. Beim Nurflügel bezahlt man halt immer. Ohne Spaltklappen fliegt "Tamagotschy" keine Kurven. Experimente mit verschiedenen Profilen und Geometrien könnten noch kleine Leistungssteigerungen ergeben. Nach meinem Eindruck ist das M-V-Konzept in dieser Ausführung weitgehenst ausgereizt.
Technische Daten:
Spannweite: Flächenbelastung: Streckung: Flügelfläche: Gewicht: Schwerpunkt: CA: CWI: Zellen: Motor: Luftschraube: Getriebe: Ruderausschläge Steuerung: |
1840 mm 32,6 g/dm 12,27 27,6 q/dm 0,3 235 mm 0,3 0,003018 (0,00234= elliptisch) 7 Zellen Sanyo N500 AR Speed 400 6V Cam-Prop 11 x 8 Speed Gear 400 6V, 4:1 +/- 10mm Innenklappen Höhe/Tiefe Aussenklappen Quer |
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