Ein Bericht von Jörg Nagel 02.2002
Im Zeitraum von Mai 1999 bis Juli 2001 wurden drei Nurflügelmodelle geplant,
gebaut und erprobt, welche ohne Verwendung von Klappen gesteuert werden.
Die ursprüngliche Motivation für den Einsatz dieser Steuerungstechnik
bei dem ersten Modell war die besondere Einfachheit und das geringe Gewicht der
Steuerung in Kombination mit der Eleganz des nicht durch Klappen gestörten
Flügels. Ermutigt durch das erzielte Ergebnis wurde bei den folgenden Modellen
versucht, weitere Erkenntnisse zu gewinnen und die aufgetretenen Probleme zu
lösen. Die Grundschränkungsverteilung aller Flügel basiert im
wesentlichen auf Ergebnissen des Berechnungsprogrammes von Michael Möller.
Da die gebauten Modelle keineswegs perfektioniert sind, sondern vielmehr
Versuchsmodelle darstellen, wird hier auch nicht eine Anleitung zum Nachbau gegeben.
Statt dessen soll ein Eindruck vom Charakter der Flächentorsionssteuerung
vermittelt und die erprobten technischen Details beschrieben werden.
Prinzip der Steuerung
Die Steuerung erfolgt durch eine Schränkungsänderung am gepfeilten
Nurflügel. Die gleichsinnige Schränkungsänderung beider
Flügelhälften bewirkt die Höhensteuerung, eine differentielle
Schränkungsänderung die Rollsteuerung. Im Unterschied zur Klappensteuerung
entfällt die Wirkung des sonst auftretenden Klappenmomentes. Daher kann zur
Höhensteuerung nur die Schränkungsänderung in Verbindung mit einem
durch Pfeilung bewirkten Hebelarm herangezogen werden. Für die Wirksamkeit der
Höhensteuerung ist daher die Pfeilung des Flügels unbedingt erforderlich.
Die Schränkungsänderung wurde durch elastische Verformung des Flügels
realisiert, wodurch als konstruktive Hauptprobleme die bei jeder Auslenkung aus der
Neutrallage vorhandene Rückstellkraft und die potentielle Wellenbildung bei
Stauchung der Außenhaut auftreten. Um das Prinzip überhaupt zu
ermöglichen, sind daher alle Konstruktionen auf eine begrenzte
Torsionssteifigkeit ausgelegt.
1. Modellentwurf FlexNF1
Mit dem ersten Modell FlexNurflügel1 sollte ein Konzept mit sehr langer Flugzeit
demonstriert werden. So wurde in diesem Modell ein LiIon-Akku mit sehr hoher
Energiedichte verwendet, der in Kombination mit dem eingesetzten Antrieb eine Flugzeit
von über zwei Stunden ohne Thermikunterstützung garantiert. Leider wurde
ausgerechnet eine starke Thermik zum Schicksal des Nurflügels, der nicht mehr
zum Sinken gebracht werden konnte, sondern stattdessen zerbrach und abstürzte.
In der guten Thermik ist aber der Fehler weniger zu suchen, als in einer mechanisch
nicht ausreichend dimensionierten Konstruktion dieses Modells. Diese besteht aus
Balsarippen, welche durch ein CFK-Rohr als Nase und ein CFK-Stab als Endkante
verbunden sind. Die Torsion des Flügels erfolgt über ein CFK-Rohr, das bei
75% der Halbspannweite mit den Rippen verbunden ist und die restlichen, inneren Rippen
als Lagerung durchläuft. Im Mittelteil des Flügels wird dieses Torsionsrohr
von einem Servo C341 über ein Hebelgetriebe angelenkt. Um ein möglichst
geringes Gewicht zu erzielen, wurde der Flügel bespannt. Da die üblichen
Polyesterfolien äußerst steif sind und somit durch die Flügeltorsion
eine starke Faltenbildung entsteht, wurde für den Flügel eine relativ
dehnbare Polyesterstoffbespannung gewählt. Durch die Konstruktion ohne Holm
entsteht eine sehr leicht zu verdrehende Fläche, so daß das kleine Servo
nur wenig belastet wird. Allerdings bewirkt diese Konstruktion auch ein starkes
Einfallen der Bespannung zwischen den Rippen.
Die Motorisierung bestand aus einem Speed 300, der über ein Stirnradgetriebe 5:1 eine Klappluftschraube 8x6'' antrieb. Als Energiespeicher wurden 4 Li-Ion Zellen mit je 1,5Ah verwendet, verschaltet sind diese zu 7,2V/3Ah. Bei den ersten Flügen zeigte sich eine gute Wirkung der Höhensteuerung und eine mäßige Rollsteuerwirkung. Der durch Bauungenauigkeiten nicht vollständig symmetrische Nurflügel kippte beim Überziehen immer über dieselbe Fläche ab, um sich nach einer kurzen Trudelphase wieder in der Normalfluglage zu befinden. Das Gieren hielt sich ein Grenzen. Die Torsionsanlenkung über ein 6mm/8mmŲ CFK-Rohr erwies sich selbst für diesen weichen Flügel als zu nachgiebig. So wurde nur 50% der Servobewegung für die Verdrehung des Flügels genutzt, die restlichen 50% des Verdrehwinkels nahm das Torsionsrohr auf. Die Antriebskombination ergab eine Motorlaufdauer von 45 min, was in jedem Fall über 2 Stunden Gesamtflugzeit erlaubte. Der eingesetzte Speed 300 wies nach kurzer Zeit Lagerschäden auf, die deutlich die Drehzahl- bzw. Spannungsüberlastung des Motors anzeigten. Die verwendeten Li-Ion Akkus dagegen haben sich im praktischen Einsatz sehr gut bewährt.
2. Modellentwurf FlexNF2
Die Festigkeitsprobleme und die Mängel in der Profiltreue des ersten Modells sollten im folgenden
FlexNurflügel2 durch eine vollkommen veränderte Konstruktion beseitigt
werden. Als Fläche dient nun ein Styroporkern mit Balsabeplankung,
zusätzliche CFK/GFK-Verstärkungen garantieren eine hohe Festigkeit des
Flügels. Die Verstärkungen sind so angeordnet, dass vor allem die
Biegekräfte aufgenommen werden, die Flächentorsion aber möglichst
wenig behindert wird. Die Beplankung sowie die Verstärkungen wurden mit
Epoxidharz verklebt, was sich für die Torsionsbeweglichkeit als sehr
ungünstig erwies. Allein die zur Beplankung verwendete dünne Epoxidharzschicht
bewirkt den dominierenden Anteil des Torsionswiderstandes im Flügelaufbau.
Daher musste eine äußerst steife Anlenkung eingesetzt werden. Diese besteht
aus je einem Aluminiumrohr 10x1mm, welches über ein Stirnradgetriebe 5:1 von
einem kräftigen Digitalservo DS3328 bewegt wird. Die Flügelgeometrie wurde
gegenüber dem ersten torsionsgesteuerten Nurflügel zu Gunsten einer
höheren Streckung und geringeren Pfeilung bei deutlich erhöhter Spannweite
geändert. Um einen einfacheren Transport zu ermöglichen, ist der Flügel
mit steckbaren Spitzen ausgestattet. Die Endrippe des Mittelteils stellt gleichzeitig
den Angriffspunkt der Torsionsanlenkung dar.
Der Antrieb besteht aus einem elektronisch kommutierten Lehner 1020/30 mit Reisenauer Planetengetriebe 5:1 und einer Klappluftschraube 13x11''. Die Energie aus einem Li-Ion Akkupack 7,2V 3Ah wird über einen future 18be zugeführt. Die ersten Flüge zeigten eine angenehme Wirkung des Höhensteuers, aber eine nur ausreichende Rollsteuerwirkung. Das Fliegen eines Loopings ist problemlos durchführbar, eine Rolle dagegen unmöglich. Bei den folgenden Überziehversuchen trat eine starke Neigung zum Strömungsabriß mit nachfolgender, nicht zu beendender Trudelbewegung zu Tage. Dabei schwingt der Flügel beim senkrechten Sturz um die Hochachse von einer Flügelspitze auf die andere, keine Steuerbewegung kann den Einschlag verhindern. Mit der Reparatur wurden mehrere Veränderungen vorgenommen: Die ursprünglich sehr gering positive V-Form wurde leicht negativ, der Schwerpunkt wurde etwas nach vorne verlegt und die lackierten Flügelspitzen erhielten eine äußerst raue Oberfläche aus Epoxidharz (Danke für die Empfehlung, Alfons). Mit diesen Veränderungen fliegt der FlexNF2 fast überziehfest, die katastrophale Trudelsituation trat seitdem nicht wieder ein. Beim Einleiten einer Kurve treten deutliche Gierschwingungen auf, während des Kurvenflugs ist ein Schieben aber kaum feststellbar. Durch das hohe Gewicht von 1kg ist der Flügel mit 40W zu Verfügung stehender elektrischer Leistung deutlich untermotorisiert. Dem hervorragenden Wirkungsgrad der Antriebskette ist die gerade noch ausreichende Steigleistung zu verdanken.
3. Modellentwurf Maja
Auch mit einem durch Flächentorsion gelenkten Flügel ist eine mehrdimensionale Steuerung
möglich, äquivalent zu der Mehrklappensteuerung am Klappenflügel.
Um die Möglichkeiten dieser Konfiguration bezüglich Verbesserung des Gier-
und Überziehverhaltens zu erproben, wurde ein sehr einfacher Flügel
konstruiert und gebaut. Dieser besteht nur aus einem Styroporprofil, welches lediglich
im Mittelteil mit einem GFK-Holm und etwas GFK-Überzug sowie mit einer
Balsabeplankung der Endleiste verstärkt ist. Die Torsionsanlenkung ist mit
zwei ineinander geschachtelten Rohren ausgeführt, die an der Flügelspitze
und bei etwa halber Spannweite im Flügel verankert sind. Die Torsionsrohre
können unabhängig voneinander durch zwei Servos pro Flächenhälfte
angelenkt werden.
Maja verdankt ihren Namen vor allem dem leicht aufdringlichen Surren des Antriebs (Speed 300, Stirnradgetriebe 5:1, Klappluftschraube 9x5, 6 Zellen 500mAh), der den Flügel gemächlich nach oben beförderte. Inzwischen wurde die Steigleistung durch den Einbau eines bürstenlosen Hacker B20/15L erheblich verbessert. Durch die hohen Steuerausschläge ist Maja relativ wendig, es können Loopings und enge Kurven geflogen werden. Die äußerst raue Flügeloberfläche in Verbindung mit der starken Schränkung ergibt ein vollkommen unproblematisches Flugverhalten, der Preis dafür ist ein mäßiger Gleitwinkel. Die Verbesserung des Flugverhaltens, welche über die zusätzliche Anlenkung bei halber Spannweite erzielt werden konnte, war vernachlässigbar gering. Daher wurden die dazu verwendeten Servos nach der Testphase entfernt.
Zusammenfassung:
Ein nach dem Hortenprinzip konstruierter Nurflügel kann prinzipiell klappenlos
durch reine Flächenverwindung gesteuert werden. Diese Steuerungsart erlaubt
bei den getesteten Modellen eine gute Höhensteuerwirkung, dagegen aber nur eine
ausreichende Rollsteuerwirkung. Bei der Realisierung einer Torsionssteuerung
fällt der Widerspruch zwischen den Anforderungen einer verdrehbaren und dennoch
biegesteifen und belastbaren Konstruktion auf. Es ist nicht einfach, das Optimum
zwischen einer zu schwachen (FlexNF1) und einer nur schwer tordierbaren Konstruktion
(FlexNF2) zu finden. Damit wird deutlich, dass das Steuerungsprinzip nicht die
Konstruktion eines hochbelastbaren und wendigen Kunstflugseglers erlauben wird.
Es kann sich dagegen für leichte Thermikflügel gut eignen. Das beschriebene
Steuerungsprinzip harmoniert sowohl zur elastisch bespannten Rippenbauweise als auch
zu mit Kontaktkleber beplankten Styropor-Balsa Flächen. Das ohnehin zur
Steuerung erforderliche Torsionsrohr sollte sehr steif ausgelegt sein und
gleichzeitig als Flügelholm dienen.
Die Antriebskombination aus hoch untersetztem elektronisch kommutierten Motor und LiIon Energiespeicher hat sich als sehr effektiv, betriebssicher und praxistauglich erwiesen. Leider erreicht diese Zusammenstellung auch das Kostenmaximum. Da die heute verfügbaren LiIon Zellen wesentlich schneller als moderne NiCd Zellen altern, sollte der Zellenzustand in kritischen Einsatzbereichen wie z.B. Empfängerstromversorgungen regelmäßig kontrolliert werden.